Vietnamesisch

WISSENSWERTES ZUR VIETNAMESISCHEN SPRACHE

Vietnamesisch (tiếng Việt) ist die Amtssprache der Sozialistischen Republik Vietnam. Die Schrift heißt auf Vietnamesisch chữ quốc ngữ und wird mit lateinischen Zeichen geschrieben. Seit 2012 sind die vietnamesischen Buchstaben auch in Deutschland vollumfänglich als Zeichensatz in Unicode hinterlegt und elektronisch vollständig abbildbar.

Die vietnamesische Rechtschreibung

Die vietnamesische Rechtschreibung (chính tả tiếng Việt) richtet sich nach der vietnamesischen Norm TCVN 7587:2007.
Das vietnamesische Alphabet umfasst 29 Grundbuchstaben, darunter 12 Vokale und 17 Konsonanten. Die Vokale können noch mit einem der fünf Betonungszeichen kombiniert werden. So entstehen sechs Intonationen, durch die sich die Bedeutung jedes Lexems ändert. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

  • ma (Geist)
  • má (Wange)
  • mà (aber)
  • mả (Grab)
  • mã (Pferd)
  • mạ (Reissetzling)

Vietnamesisch tippen ist unsichtbarer Mehraufwand

Für das Tippen vietnamesischer Texte auf einer gewöhnlichen Computer-Tastatur gibt es verschiedene Möglichkeiten, technisch einfach und kostenlos.

1. Man installiere dafür einen speziellen  Tastaturtreiber, eine Software, Vietnamese-English: "keyboard". Auf fast jedem PC ist die von Phạm Kim Long ab 1994 entwickelte Freie Software Unikey, obwohl sich Vietnam erst 1997 ans Internet angeschlossen hat. Trotz vieler Übernahmeangebote ist die Software heute in der neuesten Version 4.2 RC 4 von 2018 immernoch kostenlos.
Die Software hat auch ein englisches Interface. Dort wählt man die Grundeinstellungen, wichtig sind: Betriebssystem-Tastenkombination VIETNAMESISCH EIN/AUS
und das Eingabemethode (siehe
2.)

2. Man lerne die Tastenkombination von einer der drei gebräuchlichen Eingabemethoden, auch Tippverfahren genannt, auswendig, also entweder TELEX oder VNI oder VQR.
Diese Kombinationen sind notwendig, um die vietnamesischen Buchstaben auf den Bildschirm bzw. in das verwendete Dateiformat zu schreiben.

Weil ich seit Anfang 1998 mit TELEX arbeite, hier ein paar TELEX-Kombis zum besseren Vorstellen, wie es funktioniert:
- Doppel-A für "â"
- Doppel-E für "ê")
- U + W für ein "ư" (sprich: üüh)
- X nach beliebigem Vokal für das Betonungszeichen Tilde "~" über dem Vokal
- Z zum Löschen des Betonungszeichens, und so fort.

Komplette Anleitung? --> Kontakt.

Und schon kann es losgehen; aus den Kombinationen:

Muoonj rooif, trowif conf nawngs, con trai goij ddieenj thoaij cho boos, baor boos veef nhaf ddanhs bongs banf ddi!
[115 tatsächliche Anschläge inklusive Leerzeichen]

entsteht:

Muộn rồi, trời còn nắng, con trai gọi điện thoại cho bố, bảo bố về nhà đánh bóng bàn đi!

[88 sichtbare zählbare Anschläge inklusive Leerzeichen]

(Es ist schon spät, aber noch hell draußen, als der Sohn seinen Vater anrief und sagte: "Komm' nach Hause zum Tischtennis spielen!".)

Übersetzerkollegen anderen Sprachen und Projektmanager von Übersetzungsagenturen werden hier gleich erkannt haben:
Olala! Vietnamesisch-Übersetzer müssen mehr Anschläge machen, viel öfter tippen, als die Anschläge, die tatsächlich gezählt und abgerechnet werden. Für den Buchstaben "" braucht es mit "owx" 03 Anschläge. Alle Standard-Zeichenzählprogramme erkennen und zählen hier leider nur 01 Zeichen, nämlich das lateinische Zeichen "". Für Mathematiker bleibt die Erkenntnis, dass die Formel 3 = 1 auch bei derselben Recheneinheit (Zeichen) nicht unwahr sein muss.

Für das Tippen vietnamesischer Texte stehen also gleich drei Kombinationsschemata zur Auswahl, kostenfrei. Das ist ganz im Sinne der vietnamesischen Philosophie des Dritten Weges auf dem - in diesem Fall - drei Wege zum selben Ziel führen: der Erzeugung der lateinischen Zeichen der vietnamesischen Sprache.

  • Vietnamesische Schrift - Wahrnehmung und Gebrauch im deutschsprachigen Raum:
  • Fernreisende Missionare aus Portugal, Spanien und Italien transkribierten die Sprache der Einheimischen im Reich Đại Việt (europäische Quellen: Tunquin (Tonking), auch Cochinchina, auch Annam) in lateinische Zeichen seit Ende des 16. Jahrhunderts. Alexander de Rhodes kompilierte aus mehreren Textsammlungen das 1651 erschienene Werk "Dictionarium Annamiticum, Lusitanum, et Latinum" (Wörterbuch Annamitisch-Portugiesisch-Lateinisch). Darin enthalten ist auch die "Linguae Annamiticae seu Tunchinensis Brevis Declaratio" (kurze Beschreibung der tonkinesischen oder annamitischen Sprache). Die handschriftlichen Manuskripte für den Buchdruck gelten heutzutage als verloren.
  • Das anonyme Manuskript "Manuductio ad linguam Tunkinensem" (Handreichung zur tonkinesischen Sprache) gilt als das älteste noch erhaltene Dokument, welches die vietnamesische Sprache und Grammatik beschreibt und diakritischen Zeichen für Töne und Buchstaben darlegt. Es ist in lateinischer Sprache verfaßt und wurde um die Jahrtausendwende in der Bibliotec da Ajuda (Lissabon) wiederentdeckt. Es wird auf um die Wende des 17./18. Jahrhunderts datiert und die Autorenschaft Phillip Sibin aus Westfalen zugeschrieben, und nicht Honufer Bürgin aus Luzern. Beide waren Missionare der Socieatas Jesu und lebten eine Zeitlang in Macau, das bis 1999 portugiesische Kolonie war.
  • Zwischen 1735 und 1755 lebten mehrere deutschsprachige Jesuiten am Hofe des Chúa in Sinao (Huế). Bruchstücke des Briefwechsels zwischen ihnen und Gräfin Maria Theresia Fugger von Wellenburg sind kürzlich in den "Studien zu Fuggergeschichte" erschienen. Ob und auf welchem Niveau sie der vietnamesischen Sprache mächtig waren, ist noch nicht erforscht.
  • Erste Abhandlungen über die annamitische Sprache in deutscher Sprache finden sich im Jahrband 1855 der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften.
  • Die "Theoretisch-Praktische Grammatik der annamitischen Sprache" von 1894/1900 ist das erste deutsch-vietnamesische Sprachlernbuch in Frakturschrift mit Wortlisten und Konnotationen über die regional unterschiedlichen Aussprachevariationen. Im Werk verschachtelt sind Kurzgeschichten und Zeitzeugenberichten zu Zeiten der französischen Kolonialisierung in Indochina. Das Büchlein mit festem Einband galt mutmaßlich der Flottenbesatzung der österreichischen k.u.k.-Kriegsmarine für hinterindische Missionen, die unerforscht sind.
  • Noch bis Anfang der 1950er Jahre wurde von europäischen Staaten für Vietnamesisch (tiếng Việt) offiziell die Bezeichnung Annamitisch verwendet.
  • Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat die heutige vietnamesische Schrift in den drei Gebieten Tongking, Annam und Cochinchina der Union Indochinoise nach und nach die traditionell in der vietnamesischen Literatur verwendeten Schriftzeichen chữ nôm (字喃), eine ideographische Repräsentation der vietnamesischen Sprache, als auch 'chữ hán' bzw. 'chữ nho' (Hochchinesisch) als allgemeingebräuchliche Schrift abgelöst. Nicht lange nach Ausrufung der Unabhängigkeit der Demokratischne Republik Vietnam 1945 wurde Chữ Quốc ngữ zur amtlichen Schrift erklärt und die zügige Alphabetisierung der Bevölkerung erreicht.
  • Der standardisierte Gebrauch von Begrifflichkeiten in vietnamesischen Schriftstücken hat sich insbesondere um die Jahrtausendwende des 21. Jahrhunderts stark intensiviert. Zahlreiche einschlägige Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Standards definieren heute Begrifflichkeiten im jeweiligen fachlichen Kontext. Daraus, und bedingt durch die wirtschaftliche Öffnung und Entwicklung Vietnams und der Einfuhr neuer Technologien sind in den vergangenen Jahren in Vietnam viele Fachsprachen entstanden. Beschluss Nr. 240/QĐ des Bildungsministeriums vom 05.03.1984 regelt die heutige Orthographie (Rechtschreibung). Für Großschreibung oder Vietnamisierung von Eigennamen und geographischen Bezeichnungen oder Eintragungen in Datenbanken undsofort gelten weitere Regelwerke.

    Vietnamesische Sprache:

  • Eine formelle "hochvietnamesische" Phonetik (Aussprache) des Vietnamesischen, ähnlich der Aussprache des Standardhochdeutschen, existiert in Vietnam nicht.
  • Die regionalen Sprachvariationen werden grob in die drei Variationen Nord-, Mittel- und Südvietnamesisch unterteilt. Phonologische Abweichungen (Dialekte) innerhalb einer Variation sind regional enger begrenzt, wie bspw. der Huế-Dialekt oder Quảng-Dialekt.
  • Die regional unterschiedliche Aussprache des Vietnamesischen hat sich bis heute erhalten und ist Manifest der Vielfalt der vietnamesischen Gesellschaft. Treffen sich zwei Vietnamesen aus verschiedenen Sprachregionen, müssen sich Zuhörer und Sprecher anpassen, damit die Verständigung gelingt. Dies ist in etwa vergleichbar mit der Konstellation, bei der ein Sprecher mit badisch-alemannischem Dialekt auf einen Gesprächspartner trifft, welcher diesen Dialekt nicht gewohnt ist: "Sell henni it gwisst" würde dieser in "Das habe ich nicht gewusst" umformulieren, um eine gemeinsame Verständigungsebene zu erhalten.
  • Umgangssprache und Standardsprache (Sprachgebrauch in öfffentlichen Schriftstücken und Gesetzestexten) weichen im Vietnamesischen teilweise stark voneinander ab.

    Syntax:

  • Herr Hoàng Lý Khôi, Übersetzer, Dolmetscher und langjähriges Mitglied des staatlichen Prüfungsausschusses für Vietnamesisch beschreibt die Eigenarten dieser südostasiatischen Sprache mit den Worten: "Das Vietnamesische kennt keine grammatischen Mittel zur Darstellung der verschiedenen Zeitebenen. Im Kontext erkennt man Zeitunterschiede allein durch die Hilfswörter đã, sẽ, đang. Weder Substantive noch Adjektive erleiden eine Deklination, noch Verben eine Konjugation. Das Vietnamesische ist weitgehend amorph, strukturlos. Diese Strukturlosigkeit macht das Vietnamesische zu einer schwer erlernbaren Sprache, deren Beherrschung viel Erfahrung und sprachliches Gefühl erfordert." Hinzu kommt die erschwerte Verwendung zahlreicher Personalpronomina je nach Kontext und hierarchischer Einordnung des Sprechers. So erklärt sich retrospektiv die Feststellung der ersten Europäer, dass Vietnamesisch keine Granmmatik besäße.

    Verbreitung:
  • Heute sprechen weltweit knapp 100 Millionen Menschen Vietnamesisch.
  • In Vietnam selbst umfasst dies auch die 53 offiziell anerkannten indigenen Volksgruppen mit Vietnamesisch als erste Fremdsprache, insofern sie die Landessprache nicht bereits als Muttersprache erlernt haben. Die Sprachen der amtlich als "ethnische Minderheit" (dân tộc thiểu số) bezeichneten Volksgruppen werden nach und nach verschwinden. Seit einigen Jahren gibt es für die zahlenmäßig größten Sprachfamilien wie Tày-Nùng zwar auch eigene Fernseh- und Rundfunksendungen. Erhalt und Gebrauch im täglichen Leben nehmen ab - und wohl erst dann wieder zu, wenn diese Regionalsprachen in die Bildungspläne der Gebirgsprovinzen aufgenommen werden.
  • Darüberhinaus gibt es zahlreiche Vietnamesischsprechende, die nicht in Vietnam leben. In Deutschland leben offiziell 96.105 vietnamesische Staatsbürger (Statistisches Bundesamt, Stand 31.12.2017). Zwischen 2000-2017 wurden 36.335 Bürger vietnamesischer Abstammung eingebürgert (ebda.). Für den Zeitraum davor sind keine verlässlichen Daten verfügbar.

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